STALAG VI A
STALAG VI A line
*


Inhalt
*
Vorwort
Hemer
STALAGs
STALAG VI a
Beschreibung
Westgef.& Polen
Sowjets
Statistik
Berichte
Personal
Arbeitseinsatz
Übergabe
Befreiung
Friedhöfe
Kaserne
Mahnmal
Entschädigung
Lagerplan
Literatur
Impressum
e-mail

8. März 2000

Screen design:
    Dr.H. Fritsch


6. Die Behandlung sowjetischer Kriegsgefangener

Zu jeder Zeit des Krieges war für die sowjetischen Kriegsgefangenen verhängnisvoll, daß für sie aus deutscher Sicht die Schutzbestimmungen der Haager Landkriegs-Ordnung von 1907 und des Genfer Abkommens vom 27. Juli 1929 nicht galten, denn die Sowjetunion hatte das Genfer Abkommen über die Behandlung von Kriegsgefangenen nicht unterschrieben. Das zaristische Rußland hatte die Haager Landkriegs-Ordnung anerkannt; da aber Stalin alle Verträge des Zaren aufgelöst hatte, bestand nach deutscher Interpretation ein rechtsfreier Raum für die Behandlung sowjetischer Kriegsgefangener. Die Sowjets blieben so von den Schutzbestimmungen beider Abkommen ausgenommen; sie unterstanden nicht der Betreuung und Kontrolle des Internationalen Roten Kreuzes; Geschenksendungen aus der Heimat blieben aus, Offiziere wurden zur Arbeit gezwungen.
Vom Ausbruch des Krieges an unterschieden sich die Vorschriften für die Behandlung sowjetischer Kriegsgefangener entscheidend von den für andere Nationalitäten geltenden. Schon vor dem deutschen Einfall in die Sowjetunion am 22. Juni 1941 waren die ersten Verhaltensmaßregeln für den Krieg und auch für die Behandlung von Gefangenen aufgestellt worden. Der berüchtigte „Kommissarbefehl" vom 6. Juni 1941, den Generalfeldmarschall Keitel unterzeichnet hatte, befahl nicht nur die Erschießung der Politkommissare der Sowjetunion, sondern belegt auch, daß sich die Wehrmacht im Kampf mit der Sowjetarmee außerhalb des allgemein geltenden Völkerrechts stellen sollte:
„Richtlinien für die Behandlung politischer Kommissare
. .... Die Truppe muß sich bewußt sein:
1.) In diesem Kampfe ist Schonung und völkerrechtliche Rücksichtnahme diesen Elementen gegenüber falsch. Sie sind eine Gefahr für die eigene Sicherheit und die schnelle Befriedung der eroberten Gebiete.
2.) Die Urheber barbarisch asiatischer Kampfmethoden sind die politischen Kommissare. Gegen diese muß daher sofort und ohne Weiteres mit aller Schärfe vorgegangen werden. Sie sind daher, wenn im Kampf oder Widerstand ergriffen, grundsätzlich sofort mit der Waffe zu erledigen ....".
An bzw. hinter der Front wurden danach vom SD (Sicherheitsdienst) oder anderen Einheiten Kommissare, oft auch Offiziere erschossen, Juden ausgesondert. Die übrigen Gefangenen wurden in den ersten Kriegsmonaten so behandelt, daß von ihnen auf dem Weg in die Gefangenenlager oder dort von Juli 1941 bis Februar 1942 etwa 60 % starben.
Nachdem in den großen Kesselschlachten von Juli bis September 1941 weit über eine Million Gefangene gemacht worden waren, sah sich das OKW zu detaillierten Anweisungen für die Behandlung sowjetischer Kriegsgefangener veranlaßt und ordnete am 8. September 1941 an:
„Anordnungen für die Behandlung sowjetischer Kriegsgefangener in allen Kriegsgefangenenlagern.
Behandlung der sowjetischen Kriegsgefangenen im allgemeinen:
Der Bolschewismus ist der Todfeind des nationalsozialistischen Deutschland.
Zum ersten Male steht dem deutschen Soldaten ein nicht nur soldatisch, sondern auch politisch im Sinne des Völker zerstörenden Bolschewismus geschulter Gegner gegenüber. Der Kampf gegen den Nationalsozialismus ist ihm in Fleisch und Blut übergegangen. Er führt ihn mit jedem ihm zu Gebote stehenden Mittel: Sabotage, Zersetzungspropaganda, Brandstiftung, Mord. Dadurch hat der bolschewistische Soldat jeden Anspruch auf Behandlung als ehrenhafter Soldat und nach dem Genfer Abkommen verloren....".
Das beigefügte „Merkblatt für die Bewachung sowjetischer Kriegsgefangener" führte die Konsequenzen daraus auf: „.... Für die Bewachungsmannschaft gelten folgende Richtlinien:
1.) Rücksichtsloses Durchgreifen bei den geringsten Anzeichen von Widersetzlichkeit und Ungehorsam! Zur Brechung von Widerstand ist von der Waffe schonungslos Gebrauch zu machen. Auf fliehende Kriegsgefangene ist sofort (ohne Anruf) zu schießen mit der festen Absicht zu treffen.
2.) Jede Unterhaltung mit den Kriegsgefangenen - auch auf dem Marsch von und zur Arbeitsstelle - soweit sie sich nicht auf notwendige dienstliche Anweisung bezieht, ist streng verboten....
3.) Auch auf der Arbeitsstelle ist ständige scharfe Aufsicht durch deutsche Bewachungsmannschaften erforderlich. Jeder Wachmann hat sich von den Kriegsgefangenen immer in solcher Entfernung zu halten, daß er jederzeit sofort von seiner Waffe Gebrauch machen kann. Nie einem Kriegsgefangenen den Rücken kehren!
4.) Auch gegen den arbeitswilligen und gehorsamen Kriegsgefangenen ist Weichheit nicht am Platz. Er legt sie als Schwäche aus und zieht daraus seine Folgerungen.
5.) Bei aller Strenge und Härte bei der rücksichtslosen Durchsetzung gegebener Befehle ist deutschen Soldaten jede Willkür oder Mißhandlung, vor allem die Verwendung von Knüppeln, Peitschen usw., verboten. Dies würde der Würde des deutschen Soldaten als Waffenträger widersprechen...".
Eine neue Regelung vom 24. März 1942 unterschied sich dadurch, daß der Akzent von der Vernichtung der sowjetischen Kriegsgefangenen verlegt wurde auf die Ausbeutung ihrer Arbeitskraft. Auf diese war die Kriegswirtschaft nämlich zunehmend angewiesen:
„ Behandlung sowjetischer Kriegsgefangener
Die Notwendigkeit vermehrten Arbeitseinsatzes sowjetischer Kriegsgefangener macht eine neue Regelung ihrer Behandlung erforderlich. Unter Aufhebung der Bezugsverfügungen gilt für die Behandlung von sowjetischen Kriegsgefangenen künftig folgende Regelung:

A. Behandlung der sowjetischen Kriegsgefangenen im allgemeinen

Der Bolschewismus ist der Todfeind des national-sozialistischen Deutschlands. Der sowjetische Soldat hat grundsätzlich als Träger des Bolschewismus zu gelten. Es entspricht daher politischer Notwendigkeit und dem Ansehen und der Würde der deutschen Wehrmacht, daß jeder deutsche Soldat dem sowjetischen Kriegsgefangenen gegenüber weiten Abstand hält.
Mit kühler und korrekter Behandlung, Unterlassung von Gewalttätigkeiten und Beleidigungen und Schutz vor öffentlicher Neugier wird die Arbeitsleistung der sowjetischen Kriegsgefangenen gehoben werden können. Vergeltungsmaßnahmen an ihnen auszuüben ist verboten....". (Es folgen Ausführungen über Verpflegung, Kleidung, Arbeitseinsatz usw. - Bestimmungen, die in der Praxis selten eingehalten wurden).
Geregelt wurden auch die Modalitäten für Beisetzungen:
„Für die Beerdigung verstorbener sowjetischer Kriegsgefangener gilt folgendes: 1.) Die Beisetzungen sind unauffällig und in schlichter Form vorzunehmen. Die Behandlung in Rundfunk, Presse und Film ist verboten.
2.) Eine deutsche militärische Abordnung wird nicht gestellt. Teilnahme von Kameraden des Verstorbenen, die dem gleichen Kriegsgefangenenlager angehören, ist gestattet. Zivilpersonen dürfen nicht teilnehmen.
3.) Trauersalut wird nicht geschossen.
4.) Kränze der sowjetischen Kriegsgefangenen dürfen, wenn überhaupt, nur mit weißer oder schwarzer Schleife versehen sein; von deutscher Seite wird kein Kranz hinterlegt.
5.) Geistliche oder geistliche Helfer dürfen, soweit sie dem Lager selbst angehören, beteiligt werden; bei Mohammedanern sind, wenn ohne besonderen Aufwand möglich, Religionsdiener heranzuziehen.
6.) Särge sind nicht vorgeschrieben; jedoch ist jede Leiche (ohne Bekleidungsstücke, sofern diese noch anderweitig verwendbar sind) mit starkem Papier oder sonst geeigenetem Material vollständig einzuhüllen. In Gemeinschaftsgräbern sind die Leichen nebeneinander in der ortsüblichen Grabestiefe zu betten und wie stets mit einer Erkennungsmarke zu versehen, so daß späterhin an Hand der Kartothek, die alle Personalien enthält, festgestellt werden kann, um welche Leichen es sich handelt.
7.) Auf Friedhöfen soll die Begräbnisstelle abseits oder in gebührendem Abstand von anderen Grabstätten liegen; auf Lagerfriedhöfen darf die Gräberfolge der sonstigen Kriegsgefangenen nicht gestört werden".